Segeberger Zeitung Nr. 238 vom 13. Oktober 1971

Zwischen Phantasie und Realität

Der Maler Albert Christoph Reck - „Kunst der mittleren Generation“ in Schloß Gottorf

Er sieht sich selbst als sogenannten Frustrierten der Gesellschaft und er bewegt sich nicht ungern im Paradoxen, im Widersprüchlichen. Albert Christoph Reck, dessen Bilder zur Zeit in einer Ausstellung „Kunst der mittleren Generation“ im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum in Schleswig gezeigt werden, gehört dem Geburtsdatum nach zur „mittleren Generation“Er selbst jedoch fühlt sich dieser Generations-Gruppe nicht zugehörig, da er nicht festgelegt werden möchte, weder als Künstler (er fühlt sich nicht als Expressionist) noch als Persönlichkeit.

Befragt nach seiner Funktion als Künstler sagt er, daß er vermitteln möchte, weil er als Vogelfreier, Ungebundener mit seinen Bildern „warnen und hinlaufen“ kann. Der Künstler Reck, der die Zeichnung nie vernachlässigt hat, malt schon seit gewisser Zeit am liebsten mit Gouache-Farben (Gouache ist eine deckende Wasserfarbe, die beim Trocknen pastellartig aufhellt).

Seine bevorzugten Motive sind Gesichter, Blumen, Bewegungen, Traumgestalten. Er malt seine Kompositionen in der Regel von a ußen nach innen. Scharfe Abgrenzungen sind typisch für seine letzten Bilder, für ihn haben Farben nur eine Funktion, wenn sie Licht erzeugen oder vielmehr den Eindruck von Licht herstellen können.

Seine Bilder entstehen, indem er vom Ganzen ins Detail geht, Er ist in seinen Bildern immer bestrebt, Anfang und Ende ins Gleichgewicht zu bringen. Seine Werke haben selten eine konkrete Aussage. Er sagt uns das, was er ausdrücken möchte, gern durch die Blume. Das wird einmal in seinen Bildern deutlich, die während seiner Zeit in Afrika entstanden sind – zu dieser Zeit waren Blumen seine Hauptmotive – zum anderen in schriftlichen Äußerungen, in denen er gern in Bildern spricht. Viele seiner Aquarelle sind Traumbilder, Verwirklichungen erlebter Phantasien. Seien Bilder vermitteln zwischen Phantasie und Realität.

A. C. Reck hält seine Entwicklung als Künstler und Mensch noch längst nicht für abgeschlossen. Er bleibt auf der Suche nach Formen, Ausdrucksmöglichkeiten, auf der Suche nach sich selbst. Andererseits befindet er sich ständig auf der Flucht vor der Wirklichkeit, vor der Konfrontation mit den Gegebenheiten. Solange er auf der Flucht ist, glaubt er sich frei. Hat er erst einmal einen neuen Weg eingeschlagen, sieht er sich abermals Zwängen, Konventionen und Verpflichtungen ausgesetzt, denen er sich nicht gewachsen fühlt oder nicht gewachsen fühlen möchte, da er damit seine persönlich gewählte Freiheit aufgeben müßte, die Vogel- und Narrenfreiheit, die er sehr schätzt.

Bezeichnend für ihn ist, daß er im Dritten Reich vom Regime unbehelligt blieb, da er rechtzeitig in die Rolle des Clowns geschlüpft war, um einem Zusammenstoß zu entgehen.

Reck ist ein „Hörer in der Zeit“, der zwar wahrnimmt aber seine Meinung nur verschleiert, in Bildern, wiedergibt. Trotzdem sieht er sich nicht als Romantiker, sondern eher als realistischer Träumer. Tagträume bestimmen sein Leben, sind Grundlage für seine Bilder.

Sein Atelier, in dem seine Frau ihre phantasievollen Teppiche webt, ist voll von Graphiken und Zeichnungen. Die Wohnung ist nicht mit unnötigen Möbeln „vollgestopft“, sehr große Fenster sind Ausdruck seiner Freiheitsliebe. Ein Hauswappen schmückt den Wohnraum. Wappentiere sind bezeichnenderweise fliegende Fische, Katzen (er liebt Extreme, wenn sie wieder zwei Extreme ineinander vereinen – Katzen lieben Dachböden und Kelle). Gekrönt wird das Wappen durch einen Fantasievogel.

Reck haßt die Schablonen, die „in den Ecken lauern“ und hat Angst vor der Routine des Alltags. Er mag die Mystik, wenn sie den Nährboden für die Phantasie darstellt. Phantasie als Schlüssel zum Glück – zur Freiheit. Maja Krämer