Josef von Eichendorff Konservatorium. Hefte für Kultur und Bildung Nr.76, Oppeln (Opole) Juli - September2012, S.4-11

Jürgen Knaack *1946 in Rotenburg/Wümme, Germanist und Publizist, lebt in Henstedt-Ulzburg

Zur Eröffnung der Reck-Ausstellung

Liebes Ehepaar Reck, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, lieber Herr Paulwitz-Matthäi. Vielen Dank für die launige Einführung.

 

Ich freue mich sehr, heute an dieser Stelle eine Ausstellung anlässlich der Feier zum 90. Geburtstag des Künstler Albert Christoph Reck eröffnen zu dürfen, auch wenn der Geburtstag erst in der nächsten Woche zu feiern ist.

 

Ich habe Herrn Reck erst vor einem Jahr kennengelernt, und als ich das erste Mal sein Atelier hier im Hause besuchen und seine originalen Arbeiten ansehen durfte, da kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. In meinen 25 Jahren als Redakteur einer Kunstzeitschrift war mir noch nie ein so vielfältiges und gleichzeitig qualitativ hochwertiges Werk eines Künstlers in Deutschland begegnet. Ohne Herrn Reck näher zu kennen, kam mir spontan die Idee, dass das Werk dieses Mannes in seiner Qualität und Vielfalt nur mit dem von Pablo Picasso zu vergleichen sei, also quasi eine deutsche Antwort auf Picasso ist. Das ist weder provokant noch frech gemeint, sondern meine schlichte Überzeugung, vielleicht auch eine Wahrheit

 

Da stellt sich natürlich sofort die Frage, warum ist der Mann denn so unbekannt in der Öffentlichkeit? Ich habe mich lange gefragt, woran dass wohl liegen mag. Die Antwort ergibt sich nur aus der Kenntnis der Biografie und der Person der Künstlers.

Und deshalb ein kurzer Abriss dazu.

Albert Christoph Reck ist 1922 in Krappitz an der Oder in Oberschlesien geboren. Schon als Kind hatte der Sohn eines Postbeamten eine künstlerische Begabung und Sensibilität. Zunächst lief der 15jährige jedoch nach einem Streit seiner Eltern von zu Hause fort und ließ sich in Bremen zum Seemann ausbilden, fuhr dann im Mittelmeer und auf der Ostsee zur See und wurde 1941 zu Kriegsmarine eingezogen. Die durchaus erzählenswerten Erlebnisse als Seemann und Soldat muss ich aus Zeitgründen auslassen.

Nach Kriegsende traf sich die vertriebene Familie in Flensburg wieder, der inzwischen 23jährige Albert ging zur Schule und machte das Abitur nach. Und da stand für ihn fest, dass er Künstler werden wollte. Er lernte zunächst beim Kunstmaler Hans Holtorf das Malen und ging dann zur Kunstschule in Hamburg, wo er in der Klasse von Alfred Mahlau studierte. Er bekam schon früh Stipendien, studierte in Frankreich und England und reiste durch Europa. Und seit 1951 arbeitete er als freischaffender Künstler in einem Atelier auf St. Pauli. 1954 heiratete er die Kunststudentin Maria-Louise Schlüter, die heute, nach 58 Jahren, immer noch an seiner Seite sitzt und ihn behütet. Sie zogen 1958 nach Harckesheide aufs Land und Reck war als Künstler so erfolgreich mit dem Verkauf seiner Bilder und vielen Auftragsarbeiten, dass er sich und seiner Familie 1961 in Henstedt-Rhen nahe der Alsterquelle ein Haus bauen konnte. Inzwischen hatte er das renommierte Lichtwark-Stipendium der Hansestadt Hamburg bekommen, hatte zwei Ausstellungen in der Hamburger Kunsthalle und war stolzer Vater von zwei Töchtern und zwei Söhnen. Vier weitere Kinder sollten dann bis 1974 noch folgen.

1961 veröffentlichte er auch sein bisher einziges Buch „Die kleine Naturkunde des Herrn Albert Christoph Reck“, das in liebevoll skurrilen Zeichnungen die Natur im Bereich der Alsterquelle nachempfindet.

Bis hierhin also ein ziemlich normales, erfülltes Künstlerleben.

Doch dann beschlichen den 40jährigen nonkonformistischen konservativen Katholiken Zweifel am Kunstbetrieb seiner Zeit.

Reck malt Zeit seines Lebens gegenständlich, seine Bilder erzählen Geschichten und er sieht sich als Bänkelsänger. Er malt in vielen Stilen, aber immer am eigenen roten Faden entlang. Er folgt der Empfehlung Albrecht Dürers, der auf die Frage, was denn die Kunst sei, antwortet:“ Die Kunst steckt in der Natur; wer sie herausreißen kann, der hat sie.“ Er verabscheut die Perspektive und die Spitzenkunst, und damit entzieht er sich allmählich dem Kunstbetrieb.

Und so entschließt er sich nach einem Schiffsreisestipendium des Kulturkreises im BDI, das ihn nach Südafrika geführte hatte, mit seiner Familie nach Johannesburg auszuwandern. Für ihn ist Afrika seine eigentliche Heimat und er findet dort das, was er in Europa vermisst, den festen Stand. Er bleibt dort sieben Jahre lang, er und seine Frau unterrichten Kunst an einer Schule und in Sommerschulen.

Um sich als Lehrer etablieren zu können, kommt Reck 1970 nach Deutschland zurück und studiert ein Jahr lang in Düsseldorf u.a. bei Joseph Beuys und macht seine Lehrerexamen. Statt jedoch nach Afrika zurückzukehren wird er Dozent an der Hamburger Fachhochschule für Sozialpädagogik. Die Familie kehrt nach Henstedt-Rhen zurück, die Töchter Renata und Viktoria werden geboren, die anderen Kinder gehen hier zur Schule, aber in Gedanken sind Reck und seine Familie nur in Afrika.

Und so reift der Plan, dorthin zurückzukehren. Reck erwirbt einen alten Lotsenkutter, rüstet ihn in Eigenarbeit auf, macht noch das Kapitänspatent, verkauft sein Haus in den Alsterwiesen und segelt 1976 mit einem Teil der Familie neun Monate lang nach Südafrika. Und seine Frau folgt ihm mit den kleinen Kindern an Bord eines Frachters.

Sie siedeln sich in Swasiland an, gründen im Ezulwinital eine Weberei, wo Frau Reck afrikanische Frauen im Weben unterrichtet und und Herr Reck die Entwürfe für Wandteppiche malt. Sie bauen dann in Ngwenya ein Arts and Craft Center auf, dazu kommen Werkstätten für junge Afrikaner. Die Weberei ist so erfolgreich, dass sie eine internationale Ausschreibung der Flughafengesellschaft vom Tampa in Florida zur Herstellung von Wandbehängen gewinnt. Frau Reck reist mit einem Teil der Familie und 12 Weberinnen dorthin und sie fertigen innerhalb von zwei Jahren 22 Wandbehänge im Format 2,50 mal 10 Meter nach Entwürfen des amerikanischen Malers Ronald Renmark. Die Teppiche hängen noch heute dort und machen den Flughafen von Tampa zu einem der schönsten auf der Erde.

2003 kehrt das Ehepaar zurück nach Hamburg, 2006 bekommt Reck das Atelier hier im Haus, wo er heute immer noch arbeitet. Und seit Ende vergangenen Jahres wohnen die Recks probeweise wieder in Henstedt-Rhen, fast an der gleichen Stelle, wo sie vor 50 Jahren schon einmal wohnten.

Die neueste Meldung ist noch, dass Albert ChristophReck zum Kulturpreisträger des Jahres 2012 in Henstedt-Ulzburg gewählt worden ist.

 

Dieses ist die Kurzform eines abenteuerlichen Künstler-Lebens. Während all dieser Jahre hat Albert Christoph Reck immer Bilder gemalt und gezeichnet, in die natürlich viele Einflüsse seiner europäischen und afrikanischen Umwelt eingegangen sind.

 

Recks Werk ist äußerst umfangreich. Allein hier im Atelier liegen mehr als tausend Arbeiten und in seinem ehemaligen Heim in Swaziland gibt es auch noch sehr viele, die auf ihre Übersiedelung nach Deutschland warten.

Wir haben versucht, für die hiesige Ausstellung einen kleinen Überblick aus sieben Jahrzehnten Malerei auszuwählen und haben uns für eine chronologische Hängung entschieden.

 

(Parallel dazu ist die polnische Übersetzung der Rede von Adolf Kühnemann gedruckt)